Vor knapp einem Jahr sorgten Aufnahmen des NASA-Marsrovers „Curiosity“ für Aufsehen, zeigten sie doch kleinste Strukturen im Gestein der des Arbeitsortes Vera Rubin Ridge im Gale-Krater, wie sie einige Astrobiologen bis heute für Spurenfossilien vielleicht sogar höherer Organismen halten. Mit einer neuen 3D-fotogrammetrischen Analyse der Strukturen untermauert der der Astrobiologe Barry E. DiGregorio diese Theorie nun erneut.
Wie DiGregorio vom Buckingham Centre for Astrobiology an der University of Buckingham in einem Abstrakt berichtet, sprechen auch die Ergebnisse seiner neuen Analyse gegen die Lesart der NASA-Missionswissenschaftler, laut der es sich bei den metallfarbenen und röhrenförmigen Mikrostrukturen im als „Haroldswick“ bezeichneten Stein im Gale-Krater, der vor 3,5 Milliarden Jahren einen See beherbergt hatte, am wahrscheinlichsten um rein mineralogische bzw. kristalline Rückstände oder die Reste von mit fossilierten Sedimenten angefüllten Hohlräumen handelt.
Schon zuvor hatte DiGregorio erklärt, dass die Eigenschaften der Strukturen seiner Meinung nach sehr viel eher jenen sogenannter (fossilierter) Bioturbation entsprechen. Als Bioturbation bezeichnen Geologen und Biologen das Durchwühlen und Durchmischen (Turbation) von Böden oder Sedimenten durch Lebewesen. Die vielleicht allgemein bekanntesten Beispiele hierfür sind die Röhren und Gänge, die Regenwürmer und Muscheln um Boden hinterlassen
Gesamtansicht des Curiosity-Arbeitsfeldes mit der MastCam am 15. Dezember 2017 (Sol 1905). Die Position der Strukturen der obigen Mikroskopaufnahme ist mit einem Pfeil markiert.
Klicken Sie HIER, um zu den NASA-RAW-Daten der Bilder zu gelangen.
Copyright: NASA/JPL-Caltech/MSSS (bearb. GreWi)
Jetzt kommentiert der Astrobiologe die NASA-Erklärung, dass die seither durchgeführten Analysen des Sedimentgesteins vor Ort belegen, dass es sich bei dem einstigen See um einen Frischwassersee und nicht um einen Salzwassersee gehandelt hatte. „Zugleich ist bekannt, dass salzige Sedimente nicht von metallischer Erscheinung sind. Während ‚Curiosity‘ darum bemüht war, die metallisch-wirkenden Strukturen chemisch zu analysieren, konnten dabei jedoch keine brauchbaren Daten gewonnen werden und die Missionswissenschaftler entschieden sich, den geplanten Weg des Rovers fortzusetzten und sich auf einen Forschungsziel in nur 11 Metern Entfernung zu konzentrieren.“
3D-fotogrammetrische Vergrößerung einer der röhrenartigen Strukturen im Umgebungsgestein „Haroldswick“ am Curiosity-Arbeitsort „Vera Rubin Ridge“ im Gale-Krater. Copyright/Quelle: NASA / Barry E. DiGregorio
„Merkwürdigerweise wurde kein weiterer Versuch einer Analyse der Mikrostrukturen unternommen, obwohl bislang auf dem Mars nichts Vergleichbares gefunden wurde. Der Rover wurde am 1923. Missionstag einfach nur von Haroldswick abgezogen und zu einem 11 Meter entfernten Arbetsort beordert.“
Wie DiGregorio weiterhin erläutert, gibt es zur Identifikation irdischer Spurenfossilien (Ichnofossilien) u.a. die Methode der Analyse mittels der 3D-Morphologie. Er und Kollegen hätten die Mikrostrukturen auf dem Mars nun mit Hilfe eines 3D-fotogrammetrischen Bildanalyseprogramms untersucht, mit dem es möglich ist, die Strukturen aus verschiedenen Blickwinkeln darzustellen und zu untersuchen.
Bei den meisten irdischen Spurenfossilien handelt es sich um von Organismen im Boden hinterlassene Eindrücke, Gänge, Tunnel, Schäfte und Kammern, die sich später mit Sediment füllten und versteinerten. Fossilien der bereits beschriebenen irdischen Bioturbation können – abhängig von den sie einst verursachenden Lebewesen – von einigen wenigen Nanometern bis hin zu mehreren Metern Länge variieren.
3D-fotogrammetrische Vergrößerung einer der röhrenartigen Strukturen im Umgebungsgestein „Haroldswick“ am Curiosity-Arbeitsort „Vera Rubin Ridge“ im Gale-Krater.
Copyright/Quelle: NASA / Barry E. DiGregorio
In ihrer Studie haben sich DiGreGorio und Kollegen an den u.a. Dirk Knaust und Kollegen beschriebenen Identifikations-Kriterien für Bioturbation orientiert und stellen fest: „Die Farbe und Textur der Strukturen auf dem Mars sind deutlich dunkler als das sie umgebende Gestein. Die länglichen Strukturen gleichen in auffallender Weise Planolites- und Thalassinoides-Bauten des irdischen Ordoviziums (vor rund 485,4 – 443,4 Mio. Jahren). Bei genauerer Betrachtung scheinen die Strukturen in das Umgebungsgestein ein- und daraus hervorzutauchen – ganz genau so, wie Beispiele irdischer Bioturbation. Die Größte der Strukturen auf dem Mars ist ca. 10 Millimeter lang und scheint falsche Verzweigungen aufzuweisen, die sich mit anderen kreuzen. Dieses Merkmal spricht gegen die Vorstellung, dass wir es hier mit einer Struktur zu tun haben, die durch ein schrumpfende (mineralogische) Rissfüllung entstand (wie es die NASA-Erklärung nahelegt). Zudem finden sich – wie in vielen vergleichbaren irdischen Spurenfossilien – auch auf dem Mars kleine Löcher im Umgebungsgestein, die jedoch ebenfalls nicht auszementiert sind und somit, wie gesagt, eher irdischer Bioturbation gleichen.“
„Sollte unsere Hypothese also zutreffen“, so bemerkt DiGregorio abschließend, „so würde dies bedeuten, dass auf dem frühen Mars mikrobisches und mehrzelliges Leben vielleicht schon eine Milliarde Jahre früher entstand als auf der Erde. Ein Frischwassersee auf dem Mars vor rund 3,5 Milliarden Jahren würde dann nahelegen, dass der Mars und nicht die Erde die erste blaue Murmel in unserem Sonnensystem war.“
– Alle weiteren Details will DeGregorio im kommenden Jahr auf verschiedenen Mars-Konferenzen und in einem ausführlichen Fachartikel vorstellen.