Andreas von Rétyi
Kürzlich funkte die Raumsonde Dawn mehrere Aufnahmen zur Erde, die einen rätselhaften hellen Punkt auf der Oberfläche des Zwergplaneten Ceres zeigen. Erstmals wurde dieser weiße Fleck vor über zehn Jahren vom Weltraumteleskop Hubble aufgenommen, doch bis heute bleibt völlig unklar, worum es sich bei dieser Struktur wirklich handelt. Nun aber soll das Geheimnis gelüftet werden.
Die Distanz zwischen der NASA-Raumsonde und dem Zwergplaneten Ceres schrumpft zusehends. Dawn befindet sich jetzt nicht einmal eine Monddistanz vom Ziel entfernt – dem größten Körper des Asteroiden-Hauptgürtels zwischen Mars und Jupiter. Bis Monatsende soll die Aufnahmequalität sämtliche von der Erde aus gewonnenen Fotografien des kleinen Planeten deutlich übertreffen, einschließlich sogar Bilder des Hubble-Weltraumteleskops.
Am 6. März schließlich steuert Dawn in einen Orbit um Ceres. Nach einer dreimonatigen Kartografierungsphase soll die Sonde auf bis zu 375 Kilometer an die Oberfläche des Himmelskörpers heranrücken und dessen bislang unbekannte Landschaften im Detail erkunden.
Schon seit geraumer Zeit gibt Ceres den Forschern etliche Rätsel auf. So zeigt sich dort auch ein auffallend helles Areal unbekannten Ursprungs. In einer animierten Serie von Dawn-Aufnahmen folgt der Lichtpunkt der Planetenrotation und scheint dabei unstet im Sonnenlicht zu funkeln. Auch dieses Flimmern verwundert die Wissenschaftler. Der Fleck selbst war für sie allerdings keine Überraschung, sie kennen ihn schon recht lange: Bereits das Hubble-Teleskop zeigt ihn deutlich. Die ersten Bilder stammen aus den Jahren 2003 und 2004. Auch bei Folgebeobachtungen ließ sich die seltsame Struktur wieder blicken.
Jetzt wird zunehmend klar, dass der weiße Fleck von Ceres ein beständigeres Phänomen ist, auch wenn ein Jahrzehnt auf planetaren Skalen keine allzu große Rolle spielen dürfte. In jedem Fall wird die Struktur demnach wohl auch in der nächsten Zeit noch sichtbar bleiben. Ein Bildartefakt ist sie nicht, sie existiert wirklich. Und so stellt auch Marc Rayman, Missionschef von Dawn, unumwunden fest: »Ja, wir können bestätigen, dass da etwas auf Ceres ist, das mehr Sonnenlicht reflektiert, aber was das ist, das bleibt ein Geheimnis.«
Momentan präsentiert sich die Ceres-Oberfläche noch wenig detailreich. Da sind nur vage Muster zu erkennen, ein Wechsel zwischen hellen und dunklen Arealen. Das herausragendste Merkmal ist jener weiße oder zumindest weiß wirkende Fleck. Denn die Oberfläche des Zwergplaneten gehört nicht gerade zu den hellsten im Sonnensystem.
Ganz im Gegenteil, Ceres gibt sich pauschal eher finster. Sie ist im Schnitt sogar noch düsterer als die ungewöhnliche Dunkelzone des Saturnmonds Japetus. So ist es also ein Kontrastphänomen, das den Fleck vom übrigen »Grauschleier« der Ceres abhebt.
Das ändert aber nichts an der grundsätzlichen Situation, und die bleibt spannend. Was hellt den rund 950 Kilometer großen Zwergplaneten auf diesem kleinen Gebiet so deutlich auf? Natürlich wollen das auch die Planetenforscher wissen. Rayman: »In der Tat drängt das einen förmlich dazu, ein Raumschiff hinzuschicken und dahinterzukommen. Und natürlich: Genau das ist es auch, was wir jetzt gerade machen!
Wenn Ceres von Dawn schärfer in den Fokus gerückt wird, werden wir in der Lage sein, mit ausgezeichnetem Detailreichtum zu erkennen, worum es sich bei dem weißen Fleck handelt.« Die Raumsonde wird bald schon 1000-mal näher bei Ceres sein, um dann auch 1000-mal kleinere Details aufzulösen. Das sollte eigentlich reichen, einen sehr genauen Blick auf den bislang unstrukturierten hellen Punkt zu werfen – sofern eben alles gut geht und die Technik mitmacht. Wie beinahe immer, so bieten die Forscher vorab schon eine Reihe möglicher Erklärungen an.
Am Ende aber könnte alles ganz anders sein. Im Augenblick favorisieren sie Kältevulkane und Geysire, wie sie bereits auf anderen Planetentrabanten gesichtet wurden. Die Kruste könnte bei Ceres von innen aufgebrochen sein. Oder war eine Kollision mit einem kleineren Körper des Asteroidengürtels vor nicht zu langer Zeit für die Freilegung frischeren Materials verantwortlich?
Wenn auch sonst beinahe nichts sicher ist, lässt sich wie gesagt wenigstens ein schnödes Bildartefakt doch ausschließen. Sowohl die Hubble-Sequenzen als auch die aktuellen Dawn-Beobachtungen zeigen das helle Gebiet wiederholt und sogar ganz offenbar in Rotation mit der Planetenkugel, die rund neun Stunden für eine volle Umdrehung benötigt.
Dafür, dass unter der Ceres-Kruste eine Schicht aus Wassereis lagert, sprechen bereits einige Beobachtungen, so auch spektrale Hinweise auf wasserhaltige Mineralien. Außerdem liegt die Dichte des Himmelskörpers unterhalb derjenigen unserer Erdkruste. Schätzungen gehen dahin, dass Ceres zu rund einem Viertel aus Wasser besteht. Ihre Reservoirs enthalten davon vielleicht sogar eine größere Menge als sämtliche Frischwasser-Vorräte der Erde zusammengenommen.
Die durch kohlenstoffhaltiges Material »verdunkelte« Oberfläche könnte ein Hinweis darauf sein, dass auch in größerer Tiefe zahlreiche organische Verbindungen existieren, möglicherweise zusammen mit flüssigem Wasser, was Ceres auch für Astrobiologen zu einem hochinteressanten Ort im Sonnensystem werden lässt.
Beeindruckend sind nicht zuletzt etliche zwischen Ende 2011 und Frühjahr 2013 noch mit dem mittlerweile deaktivierten Herschel-Weltraumteleskop der Europäischen Weltraumbehörde ESA durchgeführte Beobachtungen: Infrarotspektren lassen eindeutig auf die Bildung von Wasserdampf um Ceres schließen.
Wie sich gezeigt hat, tritt er von zwei diskreten Regionen der Oberfläche aus, wobei das Eis unter den dortigen Bedingungen ähnlich wie bei Kometen sofort zu Dampf wird, ohne sich vorher zu verflüssigen. Es sublimiert einfach.
Die Landschaft an den beiden Punkten ist rund fünf Prozent dunkler als der ohnehin schon finstere Rest. Dadurch schluckt die Oberfläche dort mehr Sonnenlicht und erwärmt sich, so die Deutung der ESA-Forscher, die ebenfalls darauf hoffen, mit Dawn nun bald die Frage nach dem tatsächlichen Ursprung des Wasserdampfes klären zu können.
Dann soll auch überprüft werden, ob Ceres möglicherweise einen Ozean besitzt und, wie manche Wissenschaftler vermuten, sogar eine Atmosphäre. Und natürlich wollen die Planetenwissenschaftler endlich in Erfahrung bringen, worum es sich bei dem geheimnisvollen »weißen« Fleck handelt, der nun seit mehr als zehn Jahren als ungewöhnliches Merkmal von Ceres bekannt ist.